Simultanpartie GM G. Meier – P. Winter (von Patrick Winter)

Unser ehemaliges Mitglied Patrick Winter kam vor kurzem in den Genuss bei einer Simultanveranstaltung gegen den deutschen Großmeister Georg Meier spielen zu dürfen. Hier seine Partie nebst Kommentar.

[pgn]
[Event “Simultan-Georg Meier-14.03.2018”]
[Site “Berlin”]
[Date “2018.03.14”]
[Round “”]
[White “Meier, Georg, GM”]
[Black “Winter, Patrick, Dr.”]
[Result “1/2-1/2”]
[WhiteDWZ “2646”]
[BlackDWZ “1930”]
[ECO “D77a”]

{Nachdem ich bei einer Verlosung des Deutschen Schachbundes eine
von 4 “Wildcards” gewonnen hatte, durfte ich neben 23 anderen
Teilnehmern bei einem Simultan von Großmeister Georg Meier, mit
2646 ELO Deutschlands damaliger Nr. 2 (und Nr. 120 weltweit),
antreten. Dieses wurde anlässlich des 150. Geburtstages von Emanuel
Lasker und als Rahmenprogramm zum parallel in Berlin stattfindenden
WM-Kandidatenturnier (bei dem ich natürlich auch einen Tag lang
zuschaute) im TuS Makkabi veranstaltet. Bis dahin hatte ich nur
an einem einzigen Simultan teilgenommen, nämlich 2007 gegen den
ehemaligen Jugend-Weltmeister Arik Braun. Damals hatte ich Weiß
spielen dürfen; diesmal hatten alle Herausforderer Schwarz.} 1.Nf3 {Das
ist Meiers Hauptvariante. Ich hatte sie ausführlich vorbereitet.} (1.e4
{Trotzdem schaute ich neidisch zum Nachbarbrett, wo Meier, für
ihn eher untypisch, e4 gezogen hatte. Nach diesem Zug hätte ich
ihn gewiss eher überraschen können als nach dem Partiezug.}) 1…Nf6 2.g3
g6 3.Bg2 Bg7 4.O-O O-O 5.d4 d5 6.c4 a5 $5 {Das ist die “Neuerung”,
mit der ich Meier zu ungenauem Spiel verleiten wollte. Zu diesem
Zug gibt es mindestens eine Vorgängerpartie, nämlich Simagin
– Korchnoi, Moskau 1955, aber Korchnoi strebte in dieser anscheinend
nur eine Zugumstellung an. Ich hatte etwas ganz anderes im Sinn.
Um das zu verstehen, muss man zwei Hauptvarianten kennen, nämlich:} (6…c6
7.Nbd2 (7.cxd5 cxd5 8.Nc3 {Diese Variante, die Meier schon einmal
gegen einen schwächeren Gegner gespielt hat, wollte ich, obwohl
bzw. weil sie langweilig ist, vermeiden; daher spielte ich nicht
…c6.}) 7…a5 {Hier ist ist …a5 zwar nicht der Haupt-, aber
doch ein oft gespielter Zug. Weiß hat sich hier mit seinem Damenspringer
bereits auf d2 festgelegt, sodass auf Sc3 basierende Ideen wie
oben nicht zu befürchten sind.}) (6…dxc4 {Schwarz kann diesen
Bauern i.d.R. nicht halten. Weiß wird ihn früher oder später
mittels Da4 oder Sa3 zurückerobern.} 7.Na3 (7.Ne5 {Es ist auch
möglich, den Bauern mit dem anderen Springer anzugreifen, aber
nach} Ne8 {kann er nicht sofort geschlagen werden, weil sonst
d4 hängt. Doch nach} 8.Na3 Nd6 9.e3 {wird ihn nichts mehr retten.})) 7.Nc3
{Meier betritt bereitwillig (vielleicht im Glauben, ich hätte
bei …a5 Varianten verwechselt) die von mir vorbereitete “Falle”.} (7.Nbd2
c6 {wäre die oben angesprochene Zugumstellung von Korchnoi, die
ich hier ebenfalls gewählt hätte.}) (7.cxd5 Nxd5 8.Nc3 {Diese
Variante schlägt mein Computer als Antwort auf das frühe …a5
vor.} (8.e4 {Diese Variante käme meinem Spielstil entgegen, und
außerdem scheint mir der Zug …a5 hier durchaus einen Beitrag
zu leisten.} Nb6 9.Nc3 (9.h3 Nc6) 9…Bg4) 8…Nb6 {Nach diesem
Zug ist} (8…c6 9.e4 Nxc3 10.bxc3 {Hier wirken die Bauern a5
und c6 für mich deplatziert.}) 9.Bf4 {tatsächlich unangenehm,
z.B. wegen} Nc6 (9…c6 10.e4) 10.d5 (10.Nb5 Nd5) 10…Nb4 11.e4 {mit
recht angenehmem Spiel für Weiß. Sollte 6…a5 wohl doch nicht als “Neustädter Verteidigung” in die Geschichte eingehen? ;-)}) 7…dxc4 8.Ne5 (8.Qa4 {wäre
hier wohl etwas besser, führt aber auch zu scharfen Stellungen,
z.B.:} Ne8 9.Qxc4 Nd6 10.Qb3 {, und nun ist das Computer-Abspiel} Nc6 11.d5
Nb4 12.a3 Na6 13.Be3 e6 14.dxe6 Bxe6 {interessant.}) 8…Ne8 {Die
Pointe: Nun geht Sa3 nicht mehr, weil der Springer schon auf
c3 steht, und Weiß hat Probleme, den Bauern zurückzuerobern.
Tatsächlich blieb Meier hier länger an meinem Brett stehen und
überlegte.} 9.Bf4 Nd6 10.Qd2 c6 {Es ist eine Sache, einen Bauern
zu gewinnen, aber eine andere, ihn auch zu behalten. Meine folgenden
Züge waren von dem Wunsch geprägt, schnellstmöglich meinen Entwicklungsrückstand
aufzuholen. Dabei erwischte ich aber jeweils nicht die besten
Alternativen, und nach} 11.Rfd1 Be6 12.Bh6 Nd7 13.Bxg7 Kxg7 14.Qf4 {griff
ich mit} Qb8 $2 {schon fast peinlich fehl.} (14…f6 {Das hätte
ich spielen sollen! Schon die letzten Züge über wäre das möglich
gewesen. Ich schreckte aber davor zurück, meinen e-Bauern rückständig
werden zu lassen.}) (14…Qc7 {Das wollte ich eigentlich spielen.
Hier aber machte mich nervös, dass meine Dame so ungeschützt
im Röntgenblick ihrer weißen Rivalin stehen würde, und dass nach} 15.d5
cxd5 16.Bxd5 Bxd5 (16…Rac8) 17.Nxd5 {unangenehm wäre.}) 15.Nxd7 Bxd7
16.Qe5+ f6 (16…Kg8 {spielen nur Feiglinge.}) 17.Qxe7+ {Und
da war der Mehrbauer auch schon wieder weg. Wenigstens hat sich
dadurch die e-Linie geöffnet…} Rf7 18.Qe3 Qc7 19.Qd2 {Die Dame
würde sowieso gleich vertrieben werden.} Re7 20.e4 {Es heißt,
dass man, wenn man gegen einen Simultanspieler spielt, möglichst
komplizierte Varianten anstreben sollte, weil der Gegner dann
möglicherweise nicht alle Details (bzw. weniger als man selbst)
überschauen kann. Und tatsächlich: Das folgende Abspiel konnte
ich weiter berechnen als Meier, der zu diesem Zeitpunkt noch
etwa 20 andere Gegner hatte, und so ließ ich mich bereitwillig
darauf ein.} Rae8 21.e5 $2 {In Anbetracht dessen, was kommt, ist
das ein Fehler bzw. verfrüht.} (21.f4 {So hätte man e5 gefahrlos
vorbereiten können.}) 21…fxe5 22.dxe5 Rxe5 $1 (22…Nf7 {Das
hätte ich sonst wahrscheinlich gespielt; wegen} 23.f4 $18 {ist es
aber nicht gut.}) (22…Nb5 {wäre nur wenig besser, denn nach} 23.a4 Nxc3
24.Qxc3 {wird der Bauer auf c4 früher oder später fallen.}) 23.Qxd6 $6 {Bereitwillig
griff Meier zu.} (23.Bf1) 23…Re1+ 24.Bf1 (24.Rxe1 $4 {Dass das
nicht geht, hatte der Großmeister natürlich vorausgesehen.} Qxd6) 24…Rxf1+ $1
{Das aber nicht, wie er mir nach der Partie sagte!} (24…Qxd6 {Das
war wahrscheinlich die Variante, mit der er gerechnet hatte.} 25.Rxd6 Rxa1
26.Rxd7+ Kg8 27.Kg2 (27.Rxb7 $6 {ist nicht so gut wegen} Ree1 $17) 27…b5 $11
{Allerdings ist auch in dieser Stellung nicht mehr viel von weißem
Vorteil zu spüren.}) 25.Kxf1 (25.Kg2 Bh3+ 26.Kxh3 Qxd6 {Ist prinzipiell
so ähnlich wie die Variante mit 24…Dxd6, aber hier hat Weiß
auch noch seinen Läufer eingebüßt.}) 25…Bh3+ 26.Kg1 Re1+ $19 {Remisangebot. Weiß
verliert nun (bei einem Minusbauern) die Dame, hat dafür aber
zwei Türme, von denen der noch am Rand stehende sogar mit Tempo
ins Zentrum kommt. Sicherheitshalber bot ich daher Remis an.
Meier nahm es gerne an, war aber überrascht davon, denn er hatte
sich nach eigener Aussage schon auf eine harte Verteidigung eingestellt.
Tatsächlich hätte ich gegen schwächere Gegner wohl weitergespielt,
auch wenn die Stellung laut Computer nicht so deutlich zu meinem
Vorteil ist (mit einer Bewertung von ca. -0.5), wie man vielleicht
meinen könnte. Aber ein Remis gegen Deutschlands Nr. 2 ist natürlich
etwas Schönes, und es reichte auch dafür, den ausgelobten Preis
zu gewinnen: eine von auf 200 Stück limitierte Lasker-Gedenk-Medaillen
(sowie von Meier signierte Memorabilien).} 1/2-1/2
[/pgn]

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