Tja, im Westen, da gab es zwar nix Neues, aber man beherrschte sie noch, die Kunst des schnellen Ziehens. Doc Holliday oder John Wayne, das waren noch Helden. Und auch noch Gorbatschow wusste: Wer zu spät zieht, den bestraft die Schachuhr.
Mein erstes Spiel am Spitzenbrett der Oberliga. Ich traf auf den ukrainischen IM Pedro Golubka (ELO 2469). Es kam – wie erwartet – die französische Tarrasch-Variante aufs Brett. Den leichten weißen Vorteil konnte ich nach und nach verringern, auch wenn beiden Seiten Ungenauigkeiten unterliefen, und vor allem ich viel zu viel Bedenkzeit dazu brauchte.
Nach 38 Zügen entstand die folgende Stellung:
Am solidesten war nun 38.-Tc1, was die Türme vom Brett nimmt, wonach wohl nicht mehr viel los ist. Den Zug hatte ich auch gesehen, aber auch irgendein Problem dabei. Keine Ahnung mehr, was das gewesen sein könnte. Ich zog stattdessen 38.-De7 39. h5 Se5, wofür auch noch ein Großteil meiner wenigen Bedenkzeit draufging.
Hier hatte ich mir zurechtgelegt, als nächstes 40.-Lf7 zu ziehen, und die Stellung hält. Zur Not kann man auch noch Lg8 ziehen, der König ist dann gut verteidigt. Meine Zeit wurde allerdings wirklich knapp, trotz Inkrement. Ich war in der letzten Minute.
40. Le6!?
Den hatte ich nicht erwartet.
Lf7 geht offensichtlich nicht, und es droht so was ähnliches wie Matt auf F8.
Den Bh5 kann ich nicht nehmen, dann gewinnt Df5 eine Figur.
Äääh – was ziehe ich denn jetzt?
Irgendwas muss doch noch gehen!
Die Uhr läuft.
19, 18, 17 – schon interessant, diesen neumodischen Digitaluhren zuzuschauen.
15, 14, 13 – welcher Zug geht denn überhaupt?
10, 9, 8 – irgendwas muss ich jetzt ziehen, sonst ist die Zeit rum. Hopp jetzt!
40.- Lxh5
Und die Uhr blieb stehen, bei 007, wie einst in „Goldfinger“.
Im Gegensatz zu James Bond hatte ich aber kein goldenes Händchen. Der Zug verliert, wie ich schon wusste, eine Figur. Mir fiel aber nix anderes mehr ein, da war einfach nichts mehr da in der Rübe, was nach einem Zug aussah.
Etwas Abstand und ein paar Sekunden mehr hätten mich dann wohl doch das einfache 40.-Sd7! finden lassen, was alles deckt. Weiß hat dann nix. Fritz schätzt es, je nach Laune, zwischen 0.07 und 0.12 für Weiß ein. Was das ist? Ein Fliegenschiss, wie der einheimische sagt. Verflixt und zugenäht, das hätte man doch….Natürlich folgte
41. Df5
Und jetzt hätte ich noch 41.- Sc6 versuchen können, trotz klarem weißem Vorteil muss er erst mal zeigen, wie er das gewinnt. Doch ich war inzwischen mit den Nerven durch, zog 41.- Txe3 42. Dxh5 und erst jetzt 42. – Sc6. Er rechnete lange und zog 43. Dd5. Nach 43.-Sd8 lebe ich noch, mit zwei Bauern für die Figur bei wenig Material, aber Weiß sollte irgendwie gewinnen. Aber so richtig wollte ich nicht mehr, und ließ mir 43.- Sxd4 zeigen: 44. Da8+ Kh7 45. Dg8+ Kg6 46. Lf7+ Kg5 47. Dxg7+ Kh4 48. Tf4#
Tja. So kann’s gehen…. Hier die ganze Partie:
[pgn autoplayMode=none height=500]
[Event „Oberliga Ost B“]
[Site „Marburg – Oberursel“]
[Date „2017.10.22“]
[Round „?“]
[White „Golubka, Pedro“]
[Black „Henrich, Thomas“]
[Result „1-0“]
[ECO „C09“]
[PlyCount „95“]
[SourceDate „2017.09.30“]
[SourceVersionDate „2017.09.30“]
1. e4 e6 2. d4 d5 3. Nd2 c5 4. Ngf3 Nc6 5. exd5 exd5 6. Bb5 Qe7+ 7. Be2 Nf6 8.
O-O Qc7 9. dxc5 Bxc5 10. Nb3 Be7 11. Bg5 O-O 12. c3 Be6 13. Nfd4 Rad8 14. Re1
h6 15. Bh4 Ne4 16. Bxe7 Qxe7 17. Bd3 Nxd4 18. Nxd4 Nc5 19. Bc2 Qf6 20. Re3 Rfe8
21. Qh5 Nd7 22. Ba4 a6 23. Rae1 b5 24. Bb3 Nf8 25. a4 b4 26. a5 bxc3 27. bxc3
Rc8 28. Qe2 Bd7 29. Bxd5 Rxe3 30. fxe3 Rxc3 31. Rf1 Qe5 32. Bxf7+ Kh7 33. Bb3
Ng6 34. Bc2 Be8 35. Bd3 Qxa5 36. h4 Qa3 37. Bf5 Kh8 38. Qf2 Qe7 39. h5 Ne5 40.
Be6 Bxh5 41. Qf5 Rxe3 42. Qxh5 Nc6 43. Qd5 Nxd4 44. Qa8+ Kh7 45. Qg8+ Kg6 46.
Bf7+ Kg5 47. Qxg7+ Kh4 48. Rf4# 1-0
[/pgn]